Piz Madlain (3099 m) Sesvennagruppe

Kalkburg bei S Charl zwischen malerischen Bergseen

Während die bekannten und oft bestiegenen Gipfel der Silvretta und auch der Muttler begehrte Ziele für Alpinisten darstellen, ist die andere Talseite über dem Unterengadin weitgehend unberührt geblieben. Die wuchtigen Felsgipfel der sogenannten „Unterengadiner Dolomiten“ weisen zwar ebenfalls beträchtliche Höhenunterschiede zum Talgrund auf und bilden ein durchaus gleichwertiges Gegenstück zur Silvrettagruppe, oft besucht wird hier aber allerhöchstens der Piz Lischana. Selbst der Piz Sesvenna, Namensgeber und mit 3204 Metern der höchste Gipfel der Gruppe bringt es nur zu einem sehr bescheidenen Bekanntheitsgrat.

Piz Madlain

Der Rest aber ist einsamstes Niemandsland. Diese wilden und schroffen Felsgipfel sind nur über lange, zumeist schwierige Anstiegswege zu erreichen, gewürzt mit brüchigen Felspassagen. Anders als bei den wirklichen Dolomiten, (der Vergleich ist diesmal durchaus angebracht, die wilden Formen sprechen für sich), treffen die Unterengadiner Dolomiten nicht den Geschmack der heutigen Alpinisten. So erhält auch unser Ziel, der Piz Madlain, immerhin stolze 3099 Meter hoch kaum je Besuch. Dabei stellt er ein äußerst reizvolles Gipfelziel dar. Der Anstieg birgt jede Menge Überraschungen und beinhaltet so ziemlich alle vorstellbaren Landschaftsformen, sogar ein kurzer Gletscherabschnitt wird überquert. Weitere Dreitausender können mit diesem Berg kombiniert werden, bei entsprechender Kondition sogar der Piz Lischana selbst. Durch den hochgelegenen Ausgangspunkt, nämlich den malerischen Bergweiler S-charl auf 1810 Metern Meereshöhe, ist die Tour zudem problemlos als Tagestour durchzuführen. S-charl ist ein ehemaliges Bergbaudorf, was schon bei der Anfahrt auffällt. Immer wieder rutschen nämlich Schutt und Geröll in das enge Tal hinab. Die tief eingefressenen Schluchten bilden einen starken Kontrast zu den felsigen Berghöhen. Wer mit dem Auto anreist sollte sich davon nicht zu stark vom Straßenverkehr ablenken lassen. Vorsicht ist vor allem deshalb geboten, weil seit einiger Zeit auch Mountainbiker diese Strecke als für sie ideales Terrain entdeckt haben, und deshalb bei der Auffahrt ständig mit entgegenkommenden Radlern zu rechnen ist. Der ursprüngliche Dorfteil S-charl besteht aus 13 Häusern und einer kleinen Kirche. Empfehlenswert ist ein Besuch des mittelalterlichen Stollens des Blei-Bergwerkes mit anschließendem gemeinsamen Bergmannsessen. Auch das Bergbau- und Bärenmuseum Schmelzra sollte man sich nicht entgehen lassen, da es interessante Ausstellungen beinhaltet.

S-charl ist eine Fraktion von Scuol, dem Hauptort des Unterengadins und liegt 13 Kilometer von diesem entfernt. Scuol liegt auf 1250 Metern Höhe und besitzt zwei gut erhaltene Ortsteile (Scuol sut und Scuol sura) und gilt als Bollwerk romanischer Sprachkultur. Vor allem aber begründet sich Scuols Bekanntheitsgrat auf den über 20 Mineralquellen, welche im Umkreis des Dorfes entspringen. Neun davon sind zur Zeit gefasst, und werden für Trinkkuren, Kohlensäuremineralbäder sowie das Gesundheits- und Erlebnisbad genutzt.

Übrigens liegt das Unterengadin mit durchschnittlich 305 Sonnentagen im Jahr in dieser Kategorie schweizweit an der Spitze. Die Chancen auf gutes Bergwetter stehen hier also nicht schlecht.

Der Wegverlauf

Direkt vor dem Ortseingang von S-charl befindet sich ein gebührenpflichtiger Parkplatz, auch die Buslinie endet hier. Nach der Ortsdurchquerung biegen wir an den Wegweisern links in das breite Val Sesvenna ein. Mäßig ansteigend wird ein malerisches Waldgebiet durchwandert bis unterhalb der Alp Sesvenna freie Weidehänge erreicht werden. Nun wird der Anstieg schon steiler. Hinter der Alphütte wendet sich das Weglein nach links (Richtung Nord), und es geht weiter über Alphänge. Dann neben dem Wildbach auf einen breiten Rasenrücken zu, welcher in der Mitte eines tristen, felsigen Grabens liegt. Hier wird der Anstieg extrem steil und sehr mühsam. Bröseliger Untergrund erzeugt Rutschgefahr, aber die bizarre Felslandschaft um uns herum entschädigt für alle Mühen. Weiter oben führt der Steig zwischen Felsen hindurch und ist stellenweise mit Drahtseilen gesichert. Der Wasserfall zur Rechten bietet ein lohnendes Fotomotiv. Nachdem wir den Bach nach Links gequert haben stehen wir vor den ersten Altschneefeldern, denen folgen wir bis hinter einer Geländekante die weitläufige Hochebene zwischen den Lais da Rims erreicht wird. Wir verlassen nun den markierten Weg und umgehen den tiefblauen See auf der linken Seite auf einen Schutthang zu. Diesen Hang überwinden wir mühsam aber ohne klettertechnische Probleme bis zum ersten Gipfel. Weiter geht es nun immer am Grat entlang bis nach kurzem Zwischenabstieg und einigen Felsstufen der nächste Gipfelpunkt erreicht ist. Von hier liegt nun nach einem weiteren Zwischenabstieg der schuttbeladene Gipfelhang des Piz Madlain vor uns. Schnell ist von hier aus der Gipfel geschafft und eindrückliche Silvrettablicke machen alle Aufstiegsmühen vergessen. Der Grat kann sowohl im Aufstieg als auch im Abstieg Nordseitig weglos über ein Schuttplateau umgangen werden, allerdings ist der Gratanstieg wesentlich aussichtsreicher und interessanter.

Konditionsstarke Bergsteiger können nun von oberhalb der Lais da Rims noch den Piz Lischana anschließen. Dazu biegt man oberhalb des Sees Links (nordseitig) ein und marschiert auf den schmalen, ungefährlichen Vadret da Rims zu. Dieser wird überquert und weiter geht es über Schutt und Firnfelder am Punkt 2944 vorbei zur markierten Route, die von der Chamanna Lischana heraufkommt. Dieser Weg ist für den Abstieg zu empfehlen, endet allerdings in San Jon (1466 m). Autofahrer müssen von dort per Bus oder Autostop nach S-charl zurückkehren. Der Gipfelanstieg zum Piz Lischana führt zunächst markiert auf den harmlosen, aber aussichtsreichen Schuttrücken von Punkt 3044. Weiter auf Steigspuren am Grat, über einige Schneefelder zum Punkt 3070. Trittspuren weisen dann zur Scharte am oberen Rand der Westrinne und durch feinen Schutt und Gries etwas unangenehm mit aufregenden Tiefblicken ins Unterengadin zum kleinen Gipfelkreuz am höchsten Punkt.

Talort: Scuol (1250 m)

Ausgangspunkt: S-charl ( 810 m)

Zeiten: S-charl-Piz Madlain: 4 St. , Abstieg 2,5 bis 3 St. mit Piz Lischana zusätzlich 1,5 bis 2 St.

Höhenunterschiede: S-charl-Piz Madlain: ca. 1350 Hm. ; Piz Lischana zusätzlich 250 Höhenmeter ; Abstieg nach San Jon zusätzlich 400 Höhenmeter Abstieg

Schwierigkeit: Firn + eventuell leichte Kletterei, nicht ganz unkomplizierte Wegführung

Stützpunkt: Lischanahütte (2500 m)

Übernachtungsmöglichkeiten im Talort: S-charl: Gasthof Mayer, tel.: 081/8641412 ; Crusch Alba, tel.: 081/8641405

ÖPNV-Anschluß: von Scuol Busverbindungen nach S-charl; Scuol verfügt über stündliche Bahnverbindungen nach Chur via Vereinatunnel