Piz Picuogl (3333 m) Albula Alpen

Auf den dritthöchsten Berg in der d`Err-Gruppe

Piz d Err und Piz Calderas sind ja recht vielen Bergsteigern ein Begriff, die Frage nach dem dritthöchsten Berg in dieser Gruppe aber werden wohl nur die Wenigsten beantworten können. Dabei ist der Piz Picuogl mit der Schnapszahl von 3333 Metern immerhin der sechsthöchste Punkt der gesamten Albula Alpen, in diesem Buch erreicht er hinter dem Piz Tschierva sogar den zweiten Platz. Zudem ist nicht allzu viel niedriger als die beiden höchsten Berge des Gebietes, die Zwillings gleich ein von weithin sichtbares Gipfelpaar bilden. Aus vielerlei Sichtweisen heraus geben sich die höchsten Erhebungen dieser Gruppe eher als ein imposantes Dreigestirn zu erkennen, wo eben jener Piz Picuogl als dritter im Bunde auftritt.

Piz Picuogl

Obwohl am leichtesten von allen dreien zu ersteigen, erhält der Piz Picuogl recht selten Besuch, ja wird sogar sträflich vernachlässigt. Viel bergsteigerisches Rennome ist hier zu gewinnen, allenfalls sein Nachbargipfel, die Tschima da Flix ist im Winter ein doch recht begehrtes Skitourenziel. Diese Tschima da Flix wird bei unserem Anstieg zwangsläufig überschritten und ist ohne jegliche Kletterei zu erreichen. Immerhin ein Berg von 3314 Metern Höhe. Wem die ausgesetzte Gratkante zum Hauptgipfel zu heikel erscheint, der kann die Tour ohne weiteres auf diesem ebenfalls aussichtsreichen Gipfelpunkt beenden, verpasst dann aber den eigentlich schönsten Teil der Tour. Das gesamte Massiv ist rundherum mit einer hübschen, aber nicht allzu abschreckenden Vergletscherung geschmückt, welche der Tour dann doch noch etwas hochalpinen Charakter verleiht. Doch keine Angst, der Gletscherbereich unterhalb der Furcla d‘ Angel ist ohne jegliche Schwierigkeiten zu begehen. Bei einem An-und Abstieg von der Alp Flix aus kann die Gletscherbegehung sogar komplett vermieden werden. Als bester Ausgangspunkt empfiehlt sich aber der bekannte Julierpass, welcher mittlerweile die wohl wichtigste Verkehrsverbindung zwischen Mittelbünden und dem Engadin darstellt, und das ganze Jahr über befahrbar ist. Zumindest gilt das für den Straßenverkehr. Da eine Schienenverbindung nur über den benachbarten Albulapas besteht, spielt der Julier in dieser Kategorie überhaupt keine Rolle. Diesen Makel gleicht der Julierpass jedoch durch ein sehr dichtes Geflecht von Postautoverbindungen aus, die auch wir uns zunutze machen können und sollten.

Der Wegverlauf

Der beste Ausgangspunkt ist das Berghaus westlich der Julierpasshöhe. Von hier aus wenden wir uns über Pfadspuren ein Stück gegen Nordwesten (links) über einen hohen Grasrücken hinweg, und mogeln uns mit möglichst geringem Höhenverlust zum Wanderweg hinüber, welcher in das Val d`Agnel führt. Über die Furcla d`Agnel verbindet er die Jenatschhütte mit der Passhöhe. Er kann auch von Punkt 2260 der Passtraße erreicht werden. Direkt am Taleinschnitt befindet sich ein kleiner Parkplatz, der Weg folgt dann immer dem Bachlauf. Unter den Felsausläufern des Corn Alv führt uns der Weg in einen einladenden grünen Boden. Am gegenüberliegenden Ende der Ebene gabelt sich der Pfad. Wegweiser zeigen uns den rechten Weg nach Norden an, welcher vielkehrig, an zwei leuchtenden Seeaugen, vorbei zur Furcla d`Agnel (2974 m) ansteigt. Wer in der Jenatschhütte nächtigen möchte kann diese von hier aus schon sehen, und nach einer kurzen Gletscherüberschreitung den markierten Weg nicht verfehlen. Der d`Agnelgletscher ist sanft geneigt, die wenigen, sehr kleinen Spalten stellen keine große Gefahr dar. Trotzdem sind Pickel und zumindest Grödeln, bei unerfahrenen auch Seilsicherung anzuraten. Vorsicht ist bei Nebel geboten! Den gleichen Gletscher queren wir nun mit einigem Höhenverlust (ca. 100 Hm.) nach Links, immer gerade auf die Einsattlung zwischen Piz d`Agnel und Tschima da Flix zu. Sie begrenzt das Gletscherbecken und ist daher kaum zu übersehen. Erreicht wird der Sattel am Schluss über steilen Schutt, welcher weitaus mühsamer zu begehen ist als das flache Gletscherbecken. Möglicherweise kommen ihnen sowohl Text als auch Wegverlauf bis hierher bekannt vor, das liegt dann daran, das der Anstiegsweg bis hierher dem des Piz d`Angel gleicht. Da vielleicht einige Leser sich nur für diese Tour interessieren und das vorherige Kapitel nicht gelesen haben, habe ich ihn wiederholt.

Im Sattel wenden wir uns diesmal nach rechts und ersteigen zuerst auf undeutlichen Schuttpfaden, unschwierig die Tschima da Flix auf 3314 Metern. Schönes, rotsgefärbtes Schiefergestein leuchtet im Vordergrund der weiten Gletscherflächen unter dem Piz Calderas. Dieser Nachbarberg mit Vorgipfelcharakter wird auch im Winter öfters mit Ski bestiegen. Wem der etwas von hier bedrohlich wirkende Verbindungsgrat zum Piz Pcuogl zu riskant erscheint, der kann sich auch ohne zu hadern einfach mit diesem fast ebenso hohen Gipfelpunkt zufrieden geben. In punkto Fernsicht steht er dem Piz Picuogl kaum nach. Über einen flachen, fast schon ebenen Grat mit kurzem Zwischenanstieg streben wir nun dem Hauptgipfel zu. Einige felsige Stellen gilt es zu überwinden, dieses Unterfangen ist aber deutlich einfacher als befürchtet. Der erste Schwierigkeitsgrat wird nicht überschritten, sodass auch einige herrlich ausgesetzte Gratstellen über dem zerrissenen Calderasgletscher keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen.

Der Abstieg kann über die Aufstiegsroute oder vom Sattel zwischen Piz d Angel und Tschima da Flix auf Pfadspuren zur Alp Flix (siehe Piz d Angel) erfolgen. Vorher aber wollen wir uns ausgiebig mit der eindruckvollen Fernsicht befassen, die einem der höchsten Berge Graubündens (von der Berninagruppe einmal abgesehen) mehr als würdig ist. Piz d Err und Piz Calderas nehmen uns kaum Sicht, und fesseln außerdem durch ihren eigenen Anblick. Besonders eindrücklich sind die Einblicke in die nahe Berninagruppe und ins Bergell. Beide stehen fein aufgereiht Spalier. Dazwischen bzw. davor erhebt sich der finstere Felsklotz des Piz Julier, gegenüber die wuchtigen Kalkburgen von Tinzenhorn, Piz Ela und Piz Mitgel. Damit aber nicht genug, an klaren Tagen reicht der Blick bis weit in die Westalpen hinein, auch Tödi, Rheinwaldhorn, Silvretta und Ortlergruppe sind deutlich zu erkennen.

Talorte: Mulegns (1486 m) ;( Sur 1617 m)

Ausgangspunkte: Julierpass Punkt 2260 oder Alp Flix (1980 m)

Zeiten: Alp Flix-Piz Picuogl: 4 St. , Abstieg 2,5 St. ; Julierpasshöhe-Piz Picuogl: 4 St. , Abstieg 3 St.

Höhenunterschiede: Julierpasshöhe-Piz Picuogl: ca. 1250 Hm. ; Alp Flix-Piz Picuogl: 1350 Hm.

Schwierigkeiten: leichte Gletscherüberschreitung, im Fels leicht, etwas ausgesetzt

Stützpunkt: Jenatschhütte ( 2652 m ) tel.: 081/8525115

Übernachtungsmöglichkeiten im Talort: Sur, Alp Flix: Berghaus Piz Platta, tel.: 081/751122

ÖPNV-Anschluss: Busse über den Julierpass stündlich vom Oberengadin oder von Chur/Tiefencastel

Die Alp Flix ist nur mit dem Auto zu erreichen, vielleicht hilft ein Mountainbike weiter.