Pizzo della Palü (3172 m) Aversberge

Luftige Grattour mit Seeblick

Beim Pizzo della Palü handelt es sich immerhin um den zweithöchsten Gipfel der westlichen Aversberge, welche sich schon nicht mehr im direkten Umkreis des Haupttales befinden. Es bildet mit dem noch etwas höheren (3209 m) und bekannteren Piz Timun einen charakteristischen und weithin sichtbaren Doppelgipfel über dem langgezogenen Lago di Lai. Da dessen Staumauer die italienische Grenze markiert, befindet sich ein Teil des Berges bereits in Italien. Von dort aus bestehen allerdings keine Zufahrtsmöglichkeiten zum See und ins Valle di Lai, sodass der Ausgangspunkt für diese Bergtour definitiv in Graubünden zu suchen ist. Hinter Innerferrera im Averstal biegt ein Seitenarm nach rechts ins Valle di Lai ab, an dessen Ende sich der See befindet.

Pizzo dela Palue

Schon diese Anfahrt gestaltet sich als Abenteuer, denn vor dem Erreichen der gewaltigen Staumauer muss ein in den Fels geschlagener Tunnel durchfahren werden der, weil eng, lang und Dunkel durchaus Formen von Platzangst auslösen kann. Glücklicherweise ist die Durchfahrt durch eine Ampel geregelt, sodass er immer nur von einer Seite aus befahren werden kann und somit keine Kollisionsprobleme zu erwarten sind. Im Winter wird dieses Sträßchen übrigens in eine Schlittelbahn umfunktioniert, ähnlich der Albulastrecke zwischen Preda und Bergün. Der See selbst zieht sich dann über 10 Kilometer bis zum anderen Ufer hin, zum Glück aber befindet sich unser Berg in der unmittelbaren Umgebung der Staumauer, was den Anmarschweg in sehr erträglichen Grenzen hält. Direkt an der Staumauer erblickt man über dem weit entfernten anderen Ende des Sees einen der schönsten Berge der Alpen (zumindest meinem subjektiven Empfinden nach), den Pizzo Stella eindrucksvoll in seinen strahlend weißen Firnmantel gekleidet. Sternenspitz lautet übrigens die italienische Übersetzung seines Namens, wahrscheinlich wegen der sternförmigen Verteilung seiner Grate. Für diese Tour müsste die komplette Seeseite abgelaufen werden. Ein sehr langwieriger Vorgang, wenn man sich nicht rechtzeitig ein Mountainbike besorgt hat. Dieses lohnt sich für die Besteigung des Pizzo della Palü allerdings nicht, denn der Großteil dieser Tour führt über Rasenhänge und grobes Blockwerk. Wichtiger als ein Mountainbike ist, kann hier ein Ausweis sein, falls übereifrige Grenzbeamte im Gebiet patrollieren. Palü bedeutet Sumpf im italienischen, ein Sumpf ist jedoch nicht auszumachen in seiner direkten Umgebung. Auch bei seinem weitaus bekannteren Namensvetter in der Berninagruppe lässt sich kein erkennbarer Grund für diese Namensgebung erkennen. Das sein ach so klangvoller Name einfach Sumpfspitze heißt wissen wohl die Wenigsten, der Wohlklang wäre damit wohl auch dahin.

Der Wegverlauf

Am besten beginnt man die Tour auf ca. 1900 Metern Höhe direkt an der Staumauer des Lago di Lai, welche per Postauto oder PKW zu erreichen ist. Dieses Tal ist zugleich eines der abgelegensten, ruhigsten und schönsten in Graubünden. Direkt neben der u-förmigen Staumauer befindet sich ein kleiner Parkplatz, klein zwar aber sicher nicht zu klein. Probleme mit zu wenig Parkraum wird man hier keine bekommen, denn trotz des herrlichen Seeblickes zieht es kaum Besucher in diesen vergessenen Seitenarm zwischen Italien und Graubünden. Neben dem unvergleichlichen Pizzo Stella ist auch der Pizzo della Palü schon vom Seeufer aus auszumachen. Wir wenden uns also nach rechts, überschreiten die Staumauer und gehen dabei fast auf den Berg zu. Hinter dieser machen wir einen Linksschwenker, immer am See entlang auf breitem Schotterweg. Ca. 2 Kilometer später führen rechtsseitig Pfadspuren in die steilen Rasenhänge unter dem Pizzo della Palü. Diese sind nicht sehr ausgeprägt und verlieren sich immer wieder. Eine Tatsache, die zu verschmerzen ist, denn der Hang ist überall gut begehbar. Einzig wichtig ist es immer den grob plattigen Südostgrat im Auge zu behalten, denn ihn gilt es in jedem Fall zu erreichen. Normalerweise kann man ihm an vielen Stellen problemlos beikommen, bei unserem Anstiegsweg geschieht dies über die harmlosen südseitigen Schutthänge. Die zweite Hälfte des Aufstiegs halten wir uns dann direkt am Grat, wo zwar aufgrund der groben Granitblöcke öfter mal die Hände gebraucht werden. Ernsthafte Schwierigkeiten sind aber nicht zu erwarten. Auch ist dieses grobe Material natürlich bequemer zu begehen als rutschiger, feiner Schutt. Da dieser Grat während des kompletten Anstieges zu sehen ist, kann man den Grat und damit natürlich auch den Gipfel eigentlich kaum verfehlen. Nur der etwas höhere, spitz zulaufende Piz Timun versperrt etwas die Sicht, ansonsten aber geht die Schau dank der großen Höhe in alle Richtungen sehr weit. Neben unvergesslichen Tiefblicken auf den in tiefes Blau getauchten See dominieren Pizzo Stella, der uns nun seine schlanke Nordseite zuwendet, der wuchtige Piz Platta und im Westen das Tambohorn. Östlich beherrschen die weißgetünchten Berninaberge die Szenerie.

Für den Abstieg muss leider auch der Aufstiegsweg herhalten, in Ermangelung wirklich sinnvoller Alternativen.

Einige kleinere Variationsmöglichkeiten, z. B. wie lang am Grat abgestiegen wird läßt uns aber auch dieser "Weg" offen.

Zurück an der Staumauer erwartet mich eine handfeste Überraschung. Da der Rest der Familie mich samt Hund auf der Fahrt von Arosa ins Avers begleitet hatte, nicht aber auf den Pizzo della Palü, waren sie am Seeufer entlang gewandert. Ich sehe nun eine in wilder Panik umher rennende Ziegenherde vor mir, umhergetrieben von einem kleinen schwarzen Hund. Malte rennt laut bellend zwischen den viel größeren Ziegen umher und hat große Wirkung auf diese. Nachdem wir den Hund dann mit viel Mühe wieder eingefangen und die Ziegen etwas besänftigt haben geht es zurück nach Arosa.

Talort: Innerferrera (1480 m)

Ausgangspunkt: Staumauer Lago di Lai (1960 m)

Zeiten: Staumauer-Pizzo della Palü: 3,5 St. , Abstieg 2 St.

Höhenunterschiede: Staumauer-Pizzo della Palü: ca. 1100 Hm.

Schwierigkeiten: Leichte Kletterstellen im groben Fels, nicht allzu ausgesetzt

Stützpunkte: keiner

Übernachtungsmöglichkeiten im Talort: Schulhaus Innerferrera (Massenlager), tel.: 081/6611585 (nur mit Pension möglich)

ÖPNV-Anschluss: Busse von Andeer oder Thusis, sehr schlechte Verbindungen zur Staumauer